In einem chinesischen Dorf lebte ein alter Mann, der ein wunderschönes Pferd besass. Darum beneideten ihn selbst die Fürsten. Der Greis lebte in ärmlichen Verhältnissen, doch sein Pferd verkaufte er nicht, weil er es als Freund betrachtete. Als das Pferd eines Morgens verschwunden war, erzählte man sich im ganzen Dorf «Schon immer haben wir gewusst, dass dieses Pferd eines Tages gestohlen würde. Welch ein Unglück für den alten Mann!» «Vielleicht und vielleicht auch nicht», erwiderte der alte Mann. «Richtig ist, dass das Pferd nicht mehr in seinem Stall ist, alles andere ist Urteil. Niemand weiss, ob dies ein Unglück ist oder ein Segen.» Nach zwei Wochen kehrte das Pferd, das in die Wildnis ausgebrochen war, mit einer Schar wilder Pferde zurück. «Du hast recht gehabt, alter Mann», sprach das ganze Dorf «es war ein Segen, kein Unglück!» Darauf erwiderte der Greis: «Tatsache ist nur, dass das Pferd zurückgekehrt ist.» Der alte Mann hatte einen Sohn, der nun mit den Pferden zu arbeiten begann. Doch bereits am zweiten Tag stürzte er vom Pferd und brach sich beide Beine. Im Dorf sprach man nun: «Alter Mann, du hattest recht, es war ein Unglück, denn dein einziger Sohn, der dich im Alter versorgen könnte, kann nun seine Beine nicht mehr gebrauchen.» Darauf antwortete der Mann: «Es stimmt, dass sich mein Sohn die Beine gebrochen hat. Doch wer kann denn wissen, ob dies ein Unheil ist oder ein Segen?» Bald darauf brach Krieg aus. Alle jungen Männer wurden in die Armee eingezogen. Einzig der Sohn des alten Mannes blieb daheim, weil er ein Krüppel war. Die Bewohner des Dorfes meinten: «Der Unfall war ein Segen, du hattest recht.» Darauf entgegnete der alte Mann: «Vielleicht, und vielleicht auch nicht. Richtig ist nur, dass eure Söhne ins Heer eingezogen wurden, mein Sohn jedoch nicht. Ob dies ein Segen oder ein Unglück ist, wer weiss das schon?»

Diese Geschichte wird häufig im Zusammenhang mit Achtsamkeit erzählt. Ich habe sie von Berzbach (2015, S. 22) abgeschrieben und etwas angepasst. Der Grundgedanke der Achtsamkeit ist, Dinge so zu nehmen, wie sie sind, ohne sie zu bewerten. Dies gilt als eine wirksame Methode, zufrieden zu werden.

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Quellen:

Berzbach, F. (2015). Die Kunst ein kreatives Leben zu führen : Anregung zu Achtsamkeit (7. Auflage). Mainz: Verlag Hermann Schmidt (ISBN: 9783874398299)

Bild von mingchen J auf Pixabay